Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Philipp Grüebler: Während die Börse im April durch die Hinweise des Fed-Präsidenten Powell auf eine laxere Geldpolitik in die Höhe getrieben wurde, schreckten in den letzten Tagen die Märkte wegen einer möglichen Eskalation des Handelskonfliktes zwischen den USA und Chinaauf. Die Äusserungen der beiden Regierungen lassen auf ernsthafte Differenzen im Patentschutz und im forcierten Technologietransfer schliessen.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Die Börse dürfte nach der letzten Rallye in den kommenden Wochen eine Pause einlegen. Die schlechten Aussichten auf eine Beilegung des Handelskonfliktes drücken die Leitbörsen in den USA und damit auch die Schweizer Börse. Allerdings sehen wir eher einem Seitwärtstrend als einer scharfen Korrektur entgegen, da Wachstum und Geldpolitik weiterhin positiv sind.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Das globale Wirtschaftswachstum dürfte über die nächsten zwölf Monate positiv überraschen und solide Unternehmensgewinne ermöglichen. Allerdings nehmen die hohen Kursgewinne in diesem Jahr schon viel Positives vorweg. Die Gewinne des SMI werden daher begrenzt sein, jedoch schätze ich einen Indexstand von über 10‘000 Punkten als realistisch ein.
US-Präsident Donald Trump hat neue Zölle auf chinesische Produkte erhoben. Was bedeutet die überraschende Entwicklung für die globale Konjunktur und die Börsenentwicklung?
Eine weitere Erhöhung der Strafzölle durch die USA, träfe neben chinesischen Firmen auch deren Zulieferer in anderen Schwellenländern. Japan und Europa wären ebenfalls betroffen, da sie Investitionsgüter nach China exportieren. Die USA ist im Vergleich weniger exportorientiert. US-Aktien würden sich daher gegenüber Schwellenländeraktien sowie europäischen und japanischen Zyklikern (Banken und Industrie) besser entwickeln.
Auch im US-europäischen Handelsstreit droht eine Zuspitzung. Mitte Mai wird die US-Regierung entscheiden, ob sie neue Zölle auf EU-Autoimporte erhebt. Rechnen Sie mit einem solchen Schritt? Und wie stark würden diese Strafmassnahmen die europäische Konjunktur belasten?
Ein solcher Schritt ist durchaus möglich. Die Zölle würden massgeblich auf der europäischen und speziell auf der deutschen Konjunktur lasten. Das mässige Wachstum im Euroraum würde zusätzlich gedrückt, wobei ich aber nicht annehme, dass wir damit in eine Rezession rutschen. Dennoch: Die Aussichten für den automobillastigen DAX oder für den Euro Stoxx (vor allem Banken und Industrie) würden sich trüben.
In den USA werden die kommenden Präsidentschaftswahlen bereits zum Thema. Wagen wir einen Blick in die Kristallkugel: Was würde eine zweite Amtszeit von Donald Trumpaus wirtschaftlicher Sicht bedeuten?
Vier weitere Jahre Trump bedeuten, dass die erfolgte Steuersenkung, welche jährlich ein Budgetdefizit von 5 Prozent verursacht, nicht umgestossen wird und die Staatsschulden stark anwachsen werden. Zudem geniessen verschiedene Branchen wie Pharma, fossile Energie und Banken unter Trump eine Vorzugsbehandlung, die bestehen bliebe. Der derzeitig niedrige Konsumenten- und Umweltschutz würde den Unternehmen weiterhin erlauben, die Kosten kurzfristig tief zu halten.
Bei immer mehr Schweizer Unternehmen sind aktivistische Investoren beteiligt. Profitieren die übrigen Aktionäre für gewöhnlich vom Engagement solcher unbequemen Investoren?
Aktivistische Investoren halten die Unternehmensleitung gewöhnlich auf Trab und können daher positiv für die übrigen Aktionäre sein, wenn dadurch der langfristige Erfolg eines Unternehmens verbessert wird. Soll aber nur kurzfristig der Gewinn maximiert werden, kann das Unternehmen langfristig leiden. Die übrigen Aktionäre müssen daher die Ziele, Massnahmen und Möglichkeiten der aktivistischen Investoren in ihren Investitionsentscheiden prüfen.