https://www.handelszeitung.ch/geld/ich-setze-auf-europa-us-aktien-sind-sehr-hoch-bewertet
Europa, Nordamerika oder Asien - welche der drei Börsenregionen
dürfte sich im zweiten Halbjahr am stärksten entwickeln?
Ich
setze im zweiten Halbjahr auf Europa, weil erstens die Bewertungen hier tiefer
sind und zweitens die Wiedereröffnung zu steigenden Unternehmensgewinnen führen
werden. Die Aktien sind in den USA sehr
hoch bewertet und bieten weniger Potenzial. China dürfte aufgrund seiner
restriktiven Fiskalpolitik die Entwicklung in Asien im zweiten Halbjahr
bremsen, weshalb in den nächsten 6 Monaten keine grossen Kursgewinne in Asien
zu erwarten sind.
Die Börsen weltweit sind sehr stolz bewertet. Ist es deshalb
ratsam, von einer passiven Anlagestrategie (via ETFs) verstärkt in eine aktive
Strategie (Einzelaktien) zu wechseln? Was für ein Vorgehen schlagen Sie vor?
Ein
ETF auf den MSCI World, der von den USA dominiert wird, ist tatsächlich stolz
bewertet. Der Anleger kann aber durchaus auf ETFs in günstigeren Märkten setzen,
wie zum Beispiel von europäischen Börsen oder den Sektoren Industrie und
Finanz. Natürlich kann er auch in attraktive Einzelaktien investieren,
allerdings sollte er genügend Analyse betreiben und genügend diversifizieren.
Wie sollen junge Schweizerinnen und Schweizer zwischen 18 und 40
Jahren für das Alter sparen - beziehungsweise: Wie viel Gewicht sollten sie
dabei auf Aktienanlagen legen?
Da
Aktien langfristig die höchsten Renditen abwerfen, sollten junge Anleger und
Anlegerinnen mit einem sehr langen Anlagehorizont soviel Aktien wie möglich
halten (100%). Von Leverage würde ich hingegen abraten, weil in einem Crash auf
der Talsohle wegen Margin Call alles liquidiert werden muss und der Rebound
dann verpasst wird. Zuviel Market-Timing würde ich ebenfalls nicht empfehlen,
da nicht nur der Verkaufszeitpunkt sondern auch der Wiedereintritt perfekt
erwischt werden muss, was meist nicht gelingt.
Nennen Sie uns bitte drei Themen, auf die man an der Börse setzen
könnte - und beschreiben Sie, wie Sie dabei vorgehen würden.
Beim
Value-Ansatz setzt man auf tief bewertete Titel. Zurzeit wären dies europäische Industrie- und Finanzwerte.
Der Growth-Ansatz bevorzugt Technologietitel vor allem in den USA. Ein anderes
Thema ist die Überalterung der Gesellschaft, welches Chancen für den
Gesundheitssektor bietet. Man kann alle diese Themen mittels ETFs, aktiven Fonds
oder Einzeltitel umsetzen: Europäische Titel als Value-Play, Nasdaq-Titel als
Growth-Play und Pharma- und US-Biotech-Titel für den demographischen Trend.
Wie
stark beschäftigt die Corona-Krise die Finanzmärkte?
Global steigende Fallzahlen
bereiten den Finanzmärkten zurzeit Sorgen, doch dank der Impfung sind die
Folgen bisher gering (wenige Hospitalisationen und Todesfälle). Der
wirtschaftliche Aufschwung ist damit vorerst nicht in Gefahr. Aber auch ein zu
starker Aufschwung könnte Probleme mit sich bringen: Eine Überhitzung würde zu
Inflation und höheren Zinsen führen. Zurzeit verzeichnet die USA einen starken
Preisanstieg, es wird sich zeigen ob dieser vorübergehend ist.
Wie
wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Trotz den jüngsten
Korrekturen bin ich grundsätzlich positiv gestimmt. In den kommenden
Sommerwochen wird das Handelsvolumen jedoch tief sein. Die täglichen
Schwankungen können sehr gering sein, es ist aber auch möglich, dass kleine
Transaktionsvolumen zu grosser Volatilität führen.
Wo
steht der SMI in zwölf Monaten?
Wir dürften in
einem Jahr 12‘700 Punkte erreichen, obwohl heute die Kurse stolz bewertet sind.
Treiber werden steigende Unternehmensgewinne sein, welche durch die Öffnung der
Wirtschaft, hohe Ersparnisse und aufgestaute Nachfrage ermöglicht werden.
Steigende Inflation und Zinsen oder erneute Lockdowns könnten den Aufschwung
gefährden.