Freitag, 4. Oktober 2019

Börseninterview 4. Oktober 2019

https://www.handelszeitung.ch/geld/als-kurzfristige-trading-idee-sind-die-banktitel-attraktiv


Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Zurzeit lasten geopolitische Risiken wie Brexit, Handelskrieg und Konflikt im Mittleren Osten auf den Finanzmärkten. Zudem hat sich das globale Wachstum etwas abgeschwächt. Investoren fliehen deshalb in Staatsanleihen und den US-Dollar, während sie Aktien und den Euro meiden.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Kurzfristig dürfte sich die Börse seitwärts bewegen, denn die Schweizer Börse hat erstens seit Jahresbeginn enorm zugelegt und zweitens ist die Stimmung aufgrund des negativen Nachrichtenflusses schlecht. Korrekturen wie wir sie Ende 2018 erlebt haben, sind deshalb nicht auszuschliessen, insbesondere in Anbetracht der aktuellen Risiken. Ich rechne aber nicht mit einem Oktober-Crash, da das wirtschaftliche Umfeld noch solide ist.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Der SMI hat durch sein hohes Gewicht an Titeln wie Nestlé, Novartis und Roche einen defensiven Charakter. Trotz den Schwierigkeiten dürfte er daher bei 10‘500 in einem Jahr schliessen.

Die Schweizer Bankentitel legen zu – die UBS war die beste SMI-Aktie im September. Wie erklären Sie sich das?
Die Bankentitel sind infolge der schlechten Kursentwicklung der letzten Jahre stark gedrückt, weil Negativzinsen schwer auf den Erträgen lasten und die Branche zusätzlich geringe Wachstumschancen bietet. Die UBS-Aktie war bis August so tief gesunken, dass eine Gegenbewegung einsetzen musste. Mit einer aktuellen Dividendenrendite von 6.4% und einem Preis-/Buchverhältnis von 0.75 ist die UBS Aktie auch nach dem Anstieg im September immer noch sehr günstig.

Soll man also wieder auf Bankentitel setzen?
Aus heutigem Blickwinkel kann langfristig leider nur wenig Gewinnwachstum erwartet werden. Als kurzfristige Trading-Idee sind die Banktitel aufgrund der tiefen Bewertung durchaus attraktiv. Die Dividendenrendite der UBS AG von 6.4% bietet zudem eine stattliche Risikoprämie.

Führende Ökonomen zeichnen ein düsteres Bild der Weltwirtschaft. Geht der Abschwung nun in den kommenden Monaten richtig los?
Bislang hat der Abschwung vor allem in der Industrieproduktion stattgefunden, der grössere Dienstleistungssektor entwickelte sich positiv. Die Verschärfung des Handelskonfliktes würde der Wirtschaft global aber weiter zusetzen und einen breiten Abschwung auslösen. Die drohende Arbeitslosigkeit sollte den Regierungen Anreiz geben, dies zu verhindern. Mit Fiskalpolitik wie Infrastrukturprogrammen in China, USA und Deutschland könnte die Wirtschaft zusätzlich gestützt und die Produktivität erhöht werden.

Die EU rechnet noch im Oktober mit neuen US-Strafzöllen. Was sind die Auswirkungen für die Schweiz?
Strafzölle auf europäische Industriegüter und insbesondere auf Automobile wären schlecht für die Schweiz, da zahlreiche inländische Zulieferer die Konsequenzen von tieferen Verkaufszahlen und höherem Preisdruck spüren würden. Langfristig sollte Europa jedoch weniger unter zunehmenden Druck geraten als China, da die US-Bevölkerung Europa im Gegensatz zu China nicht als unfairen Wettbewerber sieht. Der politische Rückhalt wäre nicht gegeben.

Freitag, 19. Juli 2019

Börseninterview in der Handelszeitung 19.07.2019

https://www.handelszeitung.ch/invest/nestles-kurs-durfte-bis-ende-jahr-nur-noch-wenig-zulegen

Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Die Finanzmärkte wurden durch schwächere Wirtschaftszahlen belastet und daraufhin durch eine expansive Geldpolitik der Zentralbanken massiv unterstützt. Es gilt zusätzlich zu beachten, dass politische Risiken bestehen: Der Handelskonflikt der USA mit diversen Handelspartnern und der Konflikt der USA mit Iran könnten jederzeit wieder aufflammen.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Nach der Kursrallye vom Juni erwarte ich nun kurzfristig eine Seitwärtsbewegung der Schweizer Börse. Politische Risiken können immer wieder für Volatilität sorgen. Jedoch sehe ich aufgrund der global lockeren Geldpolitik keinen Grund für grosse Kurseinbrüche.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
In Anbetracht dessen, dass der SMI heute schon nahe der 10'000 Marke notiert, erwarte ich, dass er in einem Jahr bei 10‘500 Punkten zu liegen kommt. Die hohen Kurse begrenzen höheres Wachstum in der Zukunft.

Nächste Woche wird Nestlé die Halbjahreszahlen vorlegen. Wird es dem Nahrungsmittelkonzern gelingen, die hohen Erwartungen zu erfüllen? Seit Jahresanfang ist der Kurs um fast dreissig Prozent gestiegen.
Nestlé konnte im Vergleich zu anderen Nahrungsmittelkonzernen durch stetige Produktinnovation und Markenpflege kontinuierlich wachsen. Es wird ein organisches Umsatzwachstum von über 3 Prozent und eine EBIT-Marge von 17,5 Prozent bis 18,5 Prozent prognostiziert. Ich erwarte daher, dass der Konzern diese Erwartungen erfüllen kann. Der Kurs dürfte jedoch bis Ende Jahr nur noch wenig zulegen. Allenfalls könnte der Verkauf der Beteiligung an L’Oréal den Nestlé-Kurs um 5 Prozent ansteigen lassen.

Tesla hat im letzten Quartal fast achtzigtausend Autos vom Model 3 ausgeliefert. Erreicht der E-Auto-Hersteller seine hochgesteckten Geschäftsziele?
Tesla dürfte seine Ziele bezüglich Produktion erreichen. Allerdings deuten die kürzlich vorgenommenen Preisreduktionen daraufhin, dass die Nachfrage stimuliert werden musste, weil in den USA die Steuergutschrift beim Kauf von Elektrofahrzeugen reduziert wurde und traditionelle Autokonzerne nun auch mit Elektrofahrzeugen konkurrenzieren. Es ist daher möglich, dass Tesla trotz gesteigerter Produktion die Gewinnziele verfehlt.

Die globale Autoindustrie ist unter Druck. Was heisst dies für die Schweizer Zulieferfirmen, beispielsweise Autoneum oder Feintool?
Die europäische Autoindustrie hat in den vergangen zwei Jahren massiv unter dem Dieselskandal gelitten und damit auch die Schweizer Zulieferer schwer belastet. Nachdem sich die Konsumenten zurückhielten, werden sie ihren aufgestauten Bedarf wieder decken müssen. Natürlich verfügen aber Hybrid- und Elektrofahrzeuge über ein höheres Wachstum als herkömmliche Fahrzeuge. Es ist daher wichtig, dass die Zulieferer ihr Angebot entsprechend ausrichten.

Chinas Wirtschaft wächst so langsam wie seit 27 Jahren nicht mehr. Wie stark belastet die Schwäche der zweitgrössten Volkswirtschaft die globale Konjunktur?
Chinas derzeitige Wachstumsschwäche belastet aufgrund gesunkener Importe vor allem andere Schwellenländer, Japan und Europa. Allerdings fördert die chinesische Führung das Kreditwachstum massiv und könnte, sofern der Stimulus greift, bald wieder globale Wachstumsimpulse liefern.




Montag, 13. Mai 2019

Interview vom 10.5.19 der Handelszeitung:
Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Philipp Grüebler: Während die Börse im April durch die Hinweise des Fed-Präsidenten Powell auf eine laxere Geldpolitik in die Höhe getrieben wurde, schreckten in den letzten Tagen die Märkte wegen einer möglichen Eskalation des Handelskonfliktes zwischen den USA und Chinaauf. Die Äusserungen der beiden Regierungen lassen auf ernsthafte Differenzen im Patentschutz und im forcierten Technologietransfer schliessen.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Die Börse dürfte nach der letzten Rallye in den kommenden Wochen eine Pause einlegen. Die schlechten Aussichten auf eine Beilegung des Handelskonfliktes drücken die Leitbörsen in den USA und damit auch die Schweizer Börse. Allerdings sehen wir eher einem Seitwärtstrend als einer scharfen Korrektur entgegen, da Wachstum und Geldpolitik weiterhin positiv sind.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Das globale Wirtschaftswachstum dürfte über die nächsten zwölf Monate positiv überraschen und solide Unternehmensgewinne ermöglichen. Allerdings nehmen die hohen Kursgewinne in diesem Jahr schon viel Positives vorweg. Die Gewinne des SMI werden daher begrenzt sein, jedoch schätze ich einen Indexstand von über 10‘000 Punkten als realistisch ein.


US-Präsident Donald Trump hat neue Zölle auf chinesische Produkte erhoben. Was bedeutet die überraschende Entwicklung für die globale Konjunktur und die Börsenentwicklung?
Eine weitere Erhöhung der Strafzölle durch die USA, träfe neben chinesischen Firmen auch deren Zulieferer in anderen Schwellenländern. Japan und Europa wären ebenfalls betroffen, da sie Investitionsgüter nach China exportieren. Die USA ist im Vergleich weniger exportorientiert. US-Aktien würden sich daher gegenüber Schwellenländeraktien sowie europäischen und japanischen Zyklikern (Banken und Industrie) besser entwickeln.

Auch im US-europäischen Handelsstreit droht eine Zuspitzung. Mitte Mai wird die US-Regierung entscheiden, ob sie neue Zölle auf EU-Autoimporte erhebt. Rechnen Sie mit einem solchen Schritt? Und wie stark würden diese Strafmassnahmen die europäische Konjunktur belasten?
Ein solcher Schritt ist durchaus möglich. Die Zölle würden massgeblich auf der europäischen und speziell auf der deutschen Konjunktur lasten. Das mässige Wachstum im Euroraum würde zusätzlich gedrückt, wobei ich aber nicht annehme, dass wir damit in eine Rezession rutschen. Dennoch: Die Aussichten für den automobillastigen DAX oder für den Euro Stoxx (vor allem Banken und Industrie) würden sich trüben.

In den USA werden die kommenden Präsidentschaftswahlen bereits zum Thema. Wagen wir einen Blick in die Kristallkugel: Was würde eine zweite Amtszeit von Donald Trumpaus wirtschaftlicher Sicht bedeuten?
Vier weitere Jahre Trump bedeuten, dass die erfolgte Steuersenkung, welche jährlich ein Budgetdefizit von 5 Prozent verursacht, nicht umgestossen wird und die Staatsschulden stark anwachsen werden. Zudem geniessen verschiedene Branchen wie Pharma, fossile Energie und Banken unter Trump eine Vorzugsbehandlung, die bestehen bliebe. Der derzeitig niedrige Konsumenten- und Umweltschutz würde den Unternehmen weiterhin erlauben, die Kosten kurzfristig tief zu halten.

Bei immer mehr Schweizer Unternehmen sind aktivistische Investoren beteiligt. Profitieren die übrigen Aktionäre für gewöhnlich vom Engagement solcher unbequemen Investoren?
Aktivistische Investoren halten die Unternehmensleitung gewöhnlich auf Trab und können daher positiv für die übrigen Aktionäre sein, wenn dadurch der langfristige Erfolg eines Unternehmens verbessert wird. Soll aber nur kurzfristig der Gewinn maximiert werden, kann das Unternehmen langfristig leiden. Die übrigen Aktionäre müssen daher die Ziele, Massnahmen und Möglichkeiten der aktivistischen Investoren in ihren Investitionsentscheiden prüfen.

Montag, 18. März 2019

Larry Fink Interview in der NZZ

Das Interview vom 18.03.2019 ist sehr aufschlussreich:

Nach einem volatilen Jahr 2018 haben wir in den vergangenen Wochen ein starkes Rally an den Börsen gesehen. Wieso?
Die Märkte sind in guter Verfassung. Zunächst hat der Handelskonflikt für eine gewisse Volatilität gesorgt, dann die Unwägbarkeiten in der Euro-Zone und schliesslich auch das abnehmende Wachstum in den USA. Im ersten Quartal 2018 waren die Marktteilnehmer etwas zu enthusiastisch, dafür im vierten viel zu pessimistisch. Nun sind die Aktien wahrscheinlich fair bewertet. Generell ist meine wichtigste Botschaft an Investoren: «Achtet auf euer fernes Anlageziel und weniger auf das kurzfristige Auf und Ab.» Ich bin ein langfristig ausgerichteter Optimist.
Der jetzige Bullenmarkt ist mit einer Dauer von zehn Jahren einer der längsten der Geschichte. Kann es immer weitergehen?
Darüber mögen viele Anleger reden. Aber ist es wirklich relevant, dass die Kurse an der Börse kurzfristig um 15 oder 20% fallen können, wenn der Anlagehorizont 30 Jahre beträgt? Spart man langfristig für die Altersvorsorge, ist es letztlich egal. Tatsächlich haben die massiven Kursverluste in der Finanzkrise Raum gelassen für eine längerfristige Erholung. Zudem wird die Weltwirtschaft immer stärker von Asien getrieben, wo viele Länder weiterhin beachtlich wachsen. Möglicherweise nähern wir uns dem Ende des Zyklus, aber ich kann nicht sagen, wann es so weit ist.
Welche Rolle spielen die Zentralbanken, die ihren Kurs in wenigen Wochen völlig verändert haben?
Sie fokussieren sich auf die niedrige Inflation. Das Fed rückt nicht weiter von der aggressiven Krisenpolitik ab und wird die Bilanz wohl nicht weiter verkürzen. Die Institution ist aber in einer besseren Lage als die sehr expansiv gebliebene Europäische Zentralbank. Was kann diese überhaupt noch tun, wenn sich das Wachstum in Europa abschwächt? Vor der Krise hat sich kaum jemand für die Zentralbanken interessiert, und auch künftig könnte das wieder so sein. Dagegen bereitet der zunehmende Populismus Sorgen.
Vor allem in Europa?
O nein, weltweit – auch in der US-Politik. Präsident Donald Trump ist auf dem internationalen Parkett kein Moderator mehr, wie das seine Vorgänger waren. Das ist sicher ein bedeutender Wandel in der Weltpolitik. Wir wissen nicht, ob er zu einem guten oder einem schlechten Ergebnis führt, die Verunsicherung ist gross. Verhandlungen zwischen den USA und Mexiko sowie Kanada führten zu harmlosen Änderungen in den Handelsabkommen, in Bezug auf China dürfte es zu einer Lösung kommen, weil beide Seiten eine Lösung brauchen – und dann ist Europa an der Reihe.
Wie sehen Sie Trumps China-Strategie?
Viele sagen, China habe im Handel unfaire Praktiken angewandt. Folglich ist Präsident Trump aggressiv aufgetreten. Sollte ein Handelsabkommen geschlossen werden, in dessen Rahmen China mehr amerikanische Produkte ordern würde, wäre das ein grosser Erfolg für Trump – ob man ihn mag oder nicht.
Was halten Sie von Trumps Wirtschafts- und Finanzpolitik?
Meine Gefühle sind gemischt. Die USA brauchten eine Unternehmenssteuerreform. Wir zählten zu den Ländern mit den höchsten Sätzen der Welt, nun haben wir diesen auf den OECD-Durchschnitt von 21% gesenkt. Besser wäre gewesen, ihn weniger stark zu senken und dafür mehr in die Infrastruktur zu investieren – eine der grossen Schwächen der USA.
Die US-Finanzpolitik ist sehr expansiv. Geraten die Staatsschulden ausser Kontrolle?
Die Defizite, die die US-Regierung anhäuft, könnten zu einem sehr ernsten Problem werden. Der US-Haushalt hat ein Defizit von rund 1 Bio. $ pro Jahr, ausstehende Schuldpapiere haben ein Volumen von 22 Bio. $. Es könnte eine Zeit kommen, in der das Angebot an Staatsanleihen grösser ist als die Nachfrage. Dies könnte Probleme für die US-Wirtschaft zur Folge haben. Sollten China und die USA ein Abkommen unterschreiben, das zum Kauf von mehr US-Produkten führt, könnte sich das US-Handelsdefizit verringern oder gar auflösen. Plötzlich würde China die 5% amerikanischer Staatsanleihen nicht mehr brauchen, die das Land momentan hält. Die Frage ist, ob dies zu einer Situation führen könnte, in der die US-Zinsen auf ein höheres Niveau steigen, als die Weltwirtschaft verkraftet. Höhere US-Zinsen würden den Dollar stärken, was wiederum die Schwellenländer und die amerikanische Wettbewerbsfähigkeit schwächen würde. Dies könnte erhebliche Auswirkungen haben.
Deutet etwas darauf hin, dass der Dollar den Status als Reservewährung verliert?
Nein, überhaupt nicht. Europäische Konzernchefs mögen auf eine Konkurrenzwährung zum Dollar hoffen, vielleicht sogar auf den Yuan. In naher Zukunft wird dies aber nicht passieren.
Wie interpretieren Sie die jüngste 180-Grad-Drehung des Fed?
Ich glaube, es ist nur eine Modifizierung der Strategie. Sollte die US-Wirtschaft um 3,5% wachsen, wird das Fed die Leitzinsen weiter erhöhen. Wenn nicht, wird es etwas länger abwarten. Von Letzterem gehe ich im Moment aus.
Übte Präsident Trump mit seiner Kritik an Jerome Powell Druck auf das Fed aus?
Nein, das hatte keinen Effekt.
Sind negative Zinsen von bis zu –6%, wie vom Harvard-Ökonomen Kenneth Rogoff vorgeschlagen, eine Option, um die Wirtschaft in der nächsten Krise zu stimulieren?
Negative Zinsen in den USA würden die Aktienkurse in den Himmel schiessen lassen und zu einer riesigen Blase führen. Das wäre aus meiner Sicht kein gutes Ergebnis.
Hat die Politik der Zentralbanken mit den Negativzinsen in der Euro-Zone und der Schweiz die Märkte nicht total verzerrt?
Niedrige Zinsen haben ohne Frage eine verstärkte Nachfrage nach Aktien geschaffen. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse sind aber nicht übertrieben hoch. In Europa besteht ein Grundproblem darin, dass die Bürger zu viel Geld auf ihren Bankkonten liegen haben. Wenn die Europäer in den vergangenen dreissig Jahren mehr und systematischer in Aktien und Obligationen investiert hätten, wäre es auch besser um die europäische Wirtschaft bestellt. Nehmen Sie als Beispiel die Schweiz, hier gibt es phantastische Industrieunternehmen. Ein Investor, der sich vor Jahren ein Portfolio entsprechender Aktien aufgebaut hat, steht heute gut da. Besser, als wenn er sein Geld auf der Bank parkiert hätte. So viele Leute bewundern Warren Buffett, aber kaum jemand investiert wie er.
Haben die Europäer ein Mentalitätsproblem?
Sie sind kurzfristiger orientiert als die Amerikaner und als viele andere Nationalitäten, wenn es ums Investieren geht. Das ist wohl die Folge einer langen Serie von Ereignissen in der Vergangenheit. Immerhin haben manche eine gute Pensionskasse.
. . . in der Schweiz zumindest.
Ja, wir wünschten, wir hätten ein ähnliches System.
Viele Europäer betrachten skeptisch, welche Rolle die Europäische Zentralbank in den vergangenen Jahren gespielt hat.
Die EZB hat einen phantastischen Job gemacht – einen besseren als die europäischen Regierungen. Europa hat einfach immer spät gehandelt. Die EZB hat im Jahr 2011 noch vorübergehend den Leitzins erhöht, und die Bankenstresstests kamen erst spät. Die amerikanische Notenbank war viel aggressiver. Europa ist nicht so robust wie die USA und Grossbritannien. Die wirtschaftlichen Folgen des Brexits wären in Grossbritannien viel grösser, wenn sich der Wechselkurs der eigenen Währung nicht an die Gegebenheiten anpassen könnte.
Müssen wir angesichts der demografischen Entwicklung und der tiefen Zinsen mit einer Rentenkrise rechnen?
Nein, wir stecken bereits mittendrin – auch wenn es die Regierungen noch nicht unmittelbar tangiert. Die Sorge, nicht gut genug auf die Alterung der Bevölkerung vorbereitet zu sein, geht vor allem in den USA, Grossbritannien und Teilen Europas um. Die Unternehmen haben die Mitarbeitenden bei der Vorbereitung auf die Pension nicht genügend unterstützt. Pensionskassen sind weitgehend unterinvestiert und halten zu wenige Aktien in ihren Portfolios. Sie erwirtschaften für die Begünstigten nicht die Renditen, die erforderlich sind, damit die Menschen in Würde in den Ruhestand gehen können. Wir arbeiten mit Microsoft und Versicherungsgesellschaften zusammen, um das Konzept der privaten Altersvorsorge neu zu definieren. Technologische Lösungen sollen dazu beitragen, das notwendige Wissen zu verbreiten – vor allem auch unter den Millennials. Ich glaube, die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes hängt stark davon ab, wie angemessen und wie verlässlich das Pensionssystem ist. Möglicherweise hängt sogar der aufkommende Populismus mit der Sorge darüber zusammen, dass Menschen länger leben, als ihre Ersparnisse ausreichen.
Lassen Sie uns nun über Blackrock reden. Wird die Erfolgsgeschichte der vergangenen Jahre weitergehen?
Ich war selten so zuversichtlich im Hinblick auf die Zukunft des Unternehmens wie heute. Wir haben es darauf ausgerichtet, sich in den Dienst der langfristigen Ziele der Kunden zu stellen, und dieses Angebot stösst weltweit weiterhin auf eine starke Nachfrage. Auch wenn ich davon ausgehe, die kommenden Jahre an Bord zu bleiben, werde ich das Unternehmen nicht bis in alle Ewigkeit leiten. Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen sich Vermögensverwalter darauf konzentrieren, was die Kunden eigentlich wollen und brauchen. Viele sind zu stark auf einzelne Produkte ausgerichtet. Es geht aber darum, Kundenbedürfnisse gesamtheitlich zu verstehen und den Kunden zu helfen. Was die Zukunft anbelangt, setzt Blackrock auf die Weiterentwicklung der Technologie. Wir werden in den nächsten Wochen einige Initiativen in diesem Bereich ankündigen. Wir profitieren von unserem selbstentwickelten Datenanalysesystem Aladdin, das wir auch anderen Häusern anbieten, etwa der Credit Suisse. Aladdin wird zur Infrastruktur im Investmentgeschäft.
Die Umschichtung von aktiv verwalteten Mitteln in passive Anlageformen trug zum Wachstum bei.
Dieser Trend wird sich beschleunigen.
Ist das eine nachhaltige Entwicklung? Selbst das New Yorker Fed brachte eine Studie heraus, in der die Sorge über mögliche Notverkäufe im Krisenfall durchschimmerte . . .
Dieses Paper sagte aber auch, dass ETF aufgrund der eingebauten «Sicherheitsventile» sicherer seien als andere Anlagefonds. Tatsächlich gibt es Eigenschaften von ETF, die solche Probleme viel unwahrscheinlicher machen als bei Anlagefonds. Bei ETF können Investoren die Preisfindung in Echtzeit verfolgen, während bei Anlagefonds die Bücher nur einmal am Tag in Übereinstimmung gebracht werden. Das Prozedere ist intransparenter als bei ETF. Das ETF-Geschäft wird aus drei Gründen weiterwachsen. Erstens verstehen die Kunden die Produkte immer besser, etwa auch, was die steuerliche Behandlung anbelangt. Zweitens hatten die aktiv verwalteten Fonds ein furchtbares Jahr 2018. Drittens verwenden immer mehr Anleger, Zentralbanken und Staatsfonds die ETF, um ihre Vermögen aktiv zu verwalten. Wollen sie zum Beispiel auf steigende Aktienkurse in China setzen, können sie das mit ETF tun.
Ist es vernünftig, dass immer mehr Indizes und ETF auf den Markt kommen?
Nein. Es gibt inzwischen Tausende ETF, aber nur ein Bruchteil davon ist für Anleger wirklich relevant. 15% der ETF sind für 95% des gesamten ETF-Handelsvolumens verantwortlich.
Was planen Sie in der Schweiz?
Wir lieben das Land. Wir haben Vorstandsmitglieder in der Schweiz, ich selbst habe bei der Credit Suisse gearbeitet – so gesehen, ist die Schweiz ein Teil von Blackrock. Wachsen wollen wir hierzulande organisch, und wir sehen vielfältige Möglichkeiten, zum Beispiel bei Pensionskassen.
Sie sprachen über den langfristigen Anlagehorizont. Wie passt das zusammen mit dem Quartalsdenken in der Firmenwelt?
Es gibt viele Hindernisse oder Ablenkungen beim langfristigen Investieren. Die Medien sind auf die kurze Sicht ausgerichtet. Das Gleiche gilt für viele Regierungen. Und auch die Unternehmenswelt ist schuld, doch die Unternehmen werden in diesem Punkt immer besser, nicht schlechter. Zweifellos haben Firmen mit einer langfristig orientierten Strategie die beste Performance. Eine Strategie ist nicht in Stein gemeisselt, aber sie dient zur Ausrichtung wie zum Beispiel der Polarstern in der Navigation. Es geht darum, trotz kurzfristigem Lärm das langfristige Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Wir haben eine Reihe von Veränderungen gesehen, die von den Auswirkungen meines Briefes an CEO beeinflusst wurden. Unternehmen beginnen, ihren Zweck klarer und mit mehr Entschlossenheit zu formulieren. Das ist sehr ermutigend.

Freitag, 8. März 2019

Larry Fink on Bloomberg

Larry Fink, Chef des grössten Vermögensverwalter, auf Bloomberg über kurz- und langfrisitge Marktaussichten sowie andere spannenden Wirtschaftsthemen


Freitag, 1. März 2019

Börseninterview Handelszeitung

Börseninterview Handelszeitung 1. März 2019

Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Die Märkte sind aufgrund der Entspannung im Handelsstreit China / USA und durch Britanniens Abrücken von einem «No deal»-Brexit positiv gestimmt. Zudem hat Fed-Chef Powell signalisiert, dass in den kommenden Monaten keine Zinserhöhungen zu erwarten sind.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Nach dem Einbruch im Dezember ist die Börse, unterstützt durch positive Meldungen, in einem Aufwärtstrend. Dieser dürfte noch einige Wochen anhalten. Ich rechne deshalb kurzfristig mit steigenden Notierungen.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Ende letzten Jahres wurde befürchtet, dass in den nächsten Monaten eine markante Abschwächung des globalen Wachstums einsetzen würde. Es hat sich gezeigt, dass die Ängste übertrieben waren und wir sogar ein stärkeres Wachstum in der zweiten Hälfte dieses Jahres erwarten können. Der SMI dürfte 10‘000 Punkte in den nächsten zwölf Monaten überschreiten, wobei die hohen Bewertungen auch immer wieder zu Nervosität an den Märkten führen werden.

Nun unterstützt auch die oppositionelle Labour-Partei in Grossbritannien eine zweite Abstimmung über den Brexit. Was beutet diese Kehrtwende für die britische Wirtschaft?
Diese Kehrtwende ist sicherlich positiv für die Wirtschaft zu werten. Es erhöht den Druck auf die Politik, endlich eine Lösung zu finden: Sei es über eine erneute Abstimmung oder sei es durch die Akzeptanz eines Deals von Theresa May. Dadurch schwindet die Wahrscheinlichkeit eines schädlichen «No deal»-Brexit, welcher aufgrund seiner negativen wirtschaftlichen Folgen niemandem dienen würde.

US-Präsident Donald Trump will nun doch nicht neue Zölle auf chinesische Produkte erlassen. Wird diese Entspannung im US-chinesischen Handelsstreit andauern?
Aus wahltaktischen Gründen braucht Präsident Trump für 2020 ein neues Abkommen, welches er seinen Wählern als Erfolg präsentieren kann. Der Höhepunkt des Handelsstreits liegt deshalb hinter uns und eine allmähliche Entspannung dürfte einsetzen.

Der Ölpreis hat sich seit Jahresanfang um rund 20 Prozent erhöht – was US-Präsident Donald Trump Sorge bereitet. Wird sich der Rohstoff weiter verteuern?
Ich rechne aus folgenden Gründen mit steigenden Notierungen: Das Angebot wird durch die Krise in Venezuela limitiert. Zudem werden die Sanktionen der USA gegen Iran noch nicht voll umgesetzt. Im Gegenzug dürfte sich die Nachfrage durch die anziehende chinesische Wirtschaft im Laufe des Jahres erhöhen.

Mit Alcon nimmt bald ein Grossunternehmen den Handel an der Schweizer Börse auf. Was halten Sie vom Börsengang der Novartis-Tochter?
Der Spin-off von Alcon ist eine elegante Lösung für ein altes Problem von Novartis: Sie ist damit ihr Sorgenkind endlich los, erzielt einen guten Erlös und kann sich auf ihr Kerngeschäft, die Entwicklung innovativer Medikamente, konzentrieren. Auch für Alcon ist dies ein Befreiungsschlag, denn sie ist nun frei in ihren Entscheidungen und kann sich zum Beispiel nach strategischen Partnern umsehen. Die Aktionäre von Novartis profitieren von Ausschüttungen in Form von Aktienrückkäufen. Damit ist allen beteiligten Parteien gedient.

Daniel Loebs Engagement in Disney / Performance in der NZZ

Im Artikel über Daniel Loeb ( https://www.nzz.ch/wirtschaft/daniel-loeb-ein-aktivist-heizt-den-streaming-krieg-an-ld.1698184 ) wird das Enga...