Mittwoch, 20. Juli 2011

Derivate, Spekulation und Ökonomik

Heute (20.07.11) erschien in der NZZ auf Seite 29 ein interessanter Artikel von Marc Chesney (Finanzprofessor an der Uni Zürich) mit dem Titel "Derivative Finanzprodukte und ihre Systemrisiken". Er zerpflückt die Argumente der Ökonomen zur Rechtfertigung der weiten Verbreitung von Derivaten:
  1. Zweck sei die Absicherung von Risiken: Tatsache ist aber,dass die Nominalwerte aller Derivate das neunfache des Welt-BSP betragen. Der überwiegende Teil der Derivate wird folglich für spekulative Zwecke eingesetzt.
  2. Derivate erhöhen die Markteffizienz durch Spekulation und Arbitrage. Die erhöhte Effizienz wird aber durch erhöhte Kosten in Form von höheren Preisen und (höherer Preisvolatilität) überkompensiert. Beispiel: Spekulation in Landwirtschaftsgütern treibt Preise in die Höhe.
  3. Angleichung von Management- und Aktionärsinteressen. Managementvergütungssysteme mittels Aktienoptionen sind untauglich diese Interessen anzugleichen, was sich insbesondere beim Auftreten von (grossen) Verlusten zeigt. Aktienoptionen fürhen zu erhöhtem Riskoappetit der Manager.
Er schliesst den Artikel mit dem Verweis auf die erhöhten Systemrisiken, welche durch Derivate (und Sekuritisierung) entstanden sind und ermutigt Akademiker, die gängige Finanztheorie zu überdenken.

Interessanterweise war der Anteil der Gewinne der Finanzindustrie vor 60 Jahren weniger als 10% der totalen Unternehmensgewinne und ist heute auf fast 30% angewachsen (siehe unterstehende Grafik). Man erinnere sich daran, dass der Finanzsektor keine konsumierbare Produkte oder Dienstleistungen herstellt und seine Funktion alleine in der Kapitalintermediation besteht (für Unternehmen die tatsächlich etwas herstellen).

Mit der Deregulierung der 80er, der weiten Verbreitung der modernen Finanztheorie und der Derivate konnten die Finanzinstitute ihre Gewinnmarge auf 50% erhöhen, was fast das doppelte des "produktiven Sektors" darstellt (25-30%).

1 Kommentar:

  1. Ein wirklich sehr interessanter Artikel. Ich habe mich ebenfalls intensiv mit dieser Thematik, vor allem jedoch mit dem derivativen Wertpapieren, beschäftig. Dazu kann ich nur sagen, dass viele Menschen sind sich über die immense Bedeutung von Derivaten nicht bewusst sind. Die immense Größe des Derivatemarktes ist für Normalbürger unverständlich. Neben dem Einsatzgebiet von Derivaten, welches sinnvollerweise in der Risikominimierung, jedoch leider auch in der Spekulation befindet, stellt der Derivatemarkt sicherlich ein potenzielles Risiko dar. Hierbei geht das Risiko von seiner Größe, bzw. Unregulierbarkeit aus. Auf den zweiten Blick muss man jedoch auch die Sinnhaftigkeit von Derivaten betrachten. Anhand eines sinnvollen Einsatzes können Derivate gezielt Risiken minieren. Anhand dieser Tatsache sind sie ein essentieller Bestandteil der Finanzwirtschaft – und werden dies auch bleiben. Wahrscheinlich wird ihnen vor allem im Bereich der Geldanlage in Zukunft noch eine größere Bedeutung zukommen.

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